Friedrich Hölderlin – Heidelberg


Lange lieb ich dich schon, möchte dich, mir zur Lust,
   Mutter nennen und dir schenken ein kunstlos Lied,
      Du, der Vaterlandsstädte
         Ländlichschönste, so viel ich sah.

Wie der Vogel des Walds über die Gipfel fliegt,
   Schwingt sich über den Strom, wo er vorbei dir glänzt,
      Leicht und kräftig die Brücke,
         Die von Wagen und Menschen tönt.

Wie von Göttern gesandt, fesselt’ ein Zauber einst
   Auf die Brücke mich an, da ich vorüber ging,
      Und herein in die Berge
         Mir die reizende Ferne schien,

Und der Jüngling, der Strom, fort in die Ebne zog,
   Traurigfroh, wie das Herz, wenn es, sich selbst zu schön,
      Liebend unterzugehen,
         In die Fluten der Zeit sich wirft.

Quellen hattest du ihm, hattest dem Flüchtigen
   Kühle Schatten geschenkt, und die Gestade sahn
      All’ ihm nach, und es bebte
         Aus den Wellen ihr lieblich Bild.

Aber schwer in das Tal hing die gigantische,
   Schicksalskundige Burg nieder bis auf den Grund,
      Von den Wettern zerrissen;
         Doch die ewige Sonne goß

Ihr verjüngendes Licht über das alternde
   Riesenbild, und umher grünte lebendiger
      Efeu; freundliche Wälder
         Rauschten über die Burg herab.

Sträuche blühten herab, bis wo im heitern Tal,
   An den Hügel gelehnt oder dem Ufer hold,
      Deine fröhlichen Gassen
         Unter duftenden Gärten ruhn.


(* 20.03.1770 in Lauffen | † 07.06.1843 in Tübingen)


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